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Montag, 30. Dezember 2013

Liebe Sibylla,

nochmal offiziell herzliche Glückwünsche zum Preis und zum frischen, schicken Poetenladen-Profil www.poetenladen.de/sibylla-vricic-hausmann.php. In lyrischer Hinsicht kann der Jahresrückblick somit positiv ausfallen, würde ich meinen.
Mein 2013 war literarisch zwar einigermaßen produktiv, aber es gibt noch viel Luft nach oben. Privat und beruflich habe ich dieses Jahr gut abgesahnt, wobei es sich teilweise um Vorschusslorbeeren handelt. Das nächste Jahr wird dann einiges an Disziplin erfordern, um den Dingen auch gerecht zu werden. 

Jetzt gerade befinde ich mich aber eh in einer ganz anderen Zeitrechnung. Mit einem Neugeborenen wird – wie du weißt, man aber im ganzen Ausmaß wieder vergisst – jeder kleine Gang nach draußen zu einer großen Aktion. Die gleiche Wohnung wird plötzlich anders genutzt und man versucht, alles Mögliche gleichzeitig zu machen. Baby im Arm, den Größeren bei Laune halten, Kochen und immer wieder was wegräumen oder beim Stillen, weil man ja eh gerade sitzt, den Computer auf den Knien balancieren.
Von daher schreibe ich heute auch nur ganz kurz und wünsche dir (und allen anderen) einen guten Rutsch und das Beste für 2014! Merke gerade, wo ich die Zahl schreibe, dass mir das neue Jahr wirklich Respekt einflößt. Also, toi, toi, toi. 

Viele liebe Grüße
Eva

Donnerstag, 19. September 2013

Liebe Sibylla,

jetzt ist der Sommer schon wieder vorbei. Für mich ist es aber ok. Wettermäßig kann man sich dieses Jahr nicht beklagen, so dass auch die Daheimgebliebenen, wie du, und die Deutschlandreisenden, wie ich, einen richtigen Sommer hatten. Außerdem freue ich mich dieses Jahr wegen des erwarteten Nachwuchses mal richtig auf November. Ansonsten wirken bei mir gerade noch die anderen persönlichen Veränderungen nach. Bin froh und erleichtert, dass wir eine schöne Hochzeit hatten. Es fiel uns schon sehr schwer, uns für das Überhaupt und das Wie zu entscheiden. Jetzt sind wir beide zufrieden, und ich muss sagen, dass es sich wirklich anders anfühlt. Es ist schon mehr als ein bürokratischer Akt, deswegen fiel es uns ja auch schwer. Es ist praktisch, dass ich jetzt endlich, z. B. beim Arzt, ganz richtig „von meinem Mann“ sprechen kann, was einfach nach vielen Jahren und gemeinsamen Kind besser passt als „mein Freund“. „Mein Partner“ klingt zu sehr nach Business oder Sport und scheidet daher auch aus. Am Anfang der Elternschaft habe ich mich noch recht jung gefühlt und fand es schwer genug, mich überhaupt mit der Elternrolle zu identifizieren, so dass ich gerne durch die Formulierung „mein Freund“ betont habe, dass wir nicht verheiratet sind. Das hat sich dann schleichend geändert, von den staatlichen Bevorzugungen für Verheiratete, die man sich auf Dauer kaum entgehen lassen kann, ganz zu schweigen. Auf jeden Fall fühle ich mich jetzt, auch durch die Hochzeit, nochmal ein ganzes Stück erwachsener, sicherer und auf eine Art auch unabhängiger – natürlich nicht in der Beziehung, sondern eher dem Rest der Welt gegenüber.

Fand es auch toll, dass wir uns durch den Anlass nochmal gesehen haben. Wir müssen uns unbedingt regelmäßig besuchen! Und dann immer zusammen zu einer Literaturveranstaltung  gehen. Letzte Woche wäre ich sehr gerne mit dir beim Literaturfestival gewesen. Habe noch zwei Anläufe gestartet, eine Begleitung für eine Veranstaltung mit J.M. Coetzee zu finden. Er hat aus seinem Briefwechsel mit Paul Auster gelesen. Da ich von beiden Autoren ein paar Bücher gelesen habe, dachte ich, es sei ganz interessant, auch für unser Blog, zu schauen, was sie aus dem Briefformat machen. Außerdem wollte ich nochmal kurz in die Festivalatmosphäre eintauchen. Meine eigene Beteiligung in der Organisation liegt nun ja schon neun und zehn Jahre zurück – unglaublich, wie die Zeit vergeht. Für morgen bin ich zu einer kleinen Buchvorstellung eingeladen worden, so richtig schriftlich mit Karte. Da würde ich dich auch so gerne mitnehmen. Habe mir aber jetzt vorgenommen, alleine hinzugehen, obwohl es mich Überwindung kostet. 

Ich wünsche dir einen schönen Start in den Herbst,

deine Eva

Freitag, 17. Mai 2013

Liebe Sibylla,

ach ja, die Sexyness der Literatur. Ich verstehe deinen Frust aus dem letzten Brief. Vor allem, wenn man im Bereich der Kulturvermittlung tätig ist, hat es Literatur im Vergleich zu den anderen Künsten schwer. Zum einen wegen des nicht unmittelbar vorhandenen visuellen Reizes, wie du schreibst, zum anderen auch wegen der Einsamkeit in der Herstellung und Rezeption. Schreiben und Lesen sind zunächst Tätigkeiten, die man primär alleine verrichtet. Klar gibt es Lesungen, Hörbücher, privates Vorlesen und hier und da Autor/innen-Kollektive, aber andere Künste, wie Theater, basieren eben grundsätzlich auf Teamarbeit, so dass solche Projekte auch in der Kulturellen Bildung erstmal mehr hermachen. Andererseits gibt es auch viele gelungene Versuche, Literatur und auch Lyrik im Speziellen durch die Einbeziehung von modernen visuellen Elementen (im Print und bei Lesungen) oder Musik (bei Lesungen und Audioversionen) attraktiver zu machen. Das Einsame kann außerdem auch ein Vorteil sein – man braucht nichts als ein Buch oder Papier und Stift. In der Kulturellen Bildung und im Therapeutischen Bereich bringt das auch Chancen mit sich, da die Beteiligten in Schreib-Workshops kreative und selbstreflexive Ressourcen erwerben können, die sie ganz für sich alleine nutzen können. Und die Frage, wie viele Leute überhaupt etwas mit Literatur oder noch viel weniger Lyrik anfangen können, stellt sich bei anderen Berufen und Hobbys doch auch… Denk mal an Weltraumtechniker/innen oder Windsurfer. Da ist Literatur schon eher Konsens, obgleich natürlich in ihrer Bedeutung weit unterschätzt!

Ich finde es schwer, zwischen Anspruch und Zugänglichkeit auszuloten – sowohl in der Rezeption als auch in der eigenen Produktion. Ich will schon gefordert und überrascht werden, andererseits muss auch immer genug Bekanntes angesprochen und im besten Fall neuformuliert werden. Und ich schmunzele gerne. Wenn mir Texte in ihrer ganzen Grundhaltung abgehoben erscheinen, schwanke ich zwischen Faszination und Abwehr. Wie in der Musik – nicht zu seicht, aber ein bisschen Pop darf sein. Ein bisschen Spaß muss sein. Wo der beginnt und aufhört, ist natürlich sehr individuell. Auf jeden Fall möchte ich in Zukunft ein bisschen mehr Pop in meine eigenen Texte bringen. Mal sehen, wie das aussieht… Hier und da ein schmissiger Refrain…

Als Gastbeitrag habe ich – so viel zu Zugänglichkeit – ein Fußballgedicht angefragt. Aber keine Angst, es hat auch was mit Verortungen zu tun. Hoffentlich klappt es!

Liebe Grüße und schöne Pfingsten!
Eva

Samstag, 9. März 2013

Liebe Sibylla,

sind die ersten Frühlingsvorboten auch schon bei euch in Leipzig vorbeigekommen? Es war ja leider erst mal ein kurzer Besuch – aber er hat meine Vorfreude auf Frühling und Sommer voll geweckt. Ich merke meist den Winter über gar nicht, wie sehr mir die Sonne fehlt, bis sie dann mit ihrer ganzen Kraft zurückkommt und die ersten Blüten zu sehen sind.

Nachdem sich am 11. Februar der Todestag von Sylvia Plath zum 50. Mal gejährt hat, war Ende Februar/Anfang März noch ein weiteres trauriges Dichterinnen-Jubiläum: der 70.Jahrestag der Verschleppung und Ermordung von Gertrud Kolmar. Sie wurde am 27.02.1943 während der Zwangsarbeit in einer Rüstungsfabrik verhaftet und nach Auschwitz verschleppt, wo sie am 03.03.1943 ankam und vermutlich noch am selben Tag in der Gaskammer getötet wurde. Ich hatte das Datum gar nicht so genau im Kopf und bin erst durch Fixpoetry darauf aufmerksam geworden. Dort war eines ihrer Gedichte aus diesem Anlass als Gedicht des Tages gepostet. Leider habe ich es gerade im Archiv nicht wiedergefunden und weiß nicht mehr, welches ausgewählt wurde. Natürlich musste ich so auch an unsere gemeinsame Teilnahme an der Gertrud Kolmar-Konferenz „Fremd unter Menschen“ in Weimar denken, die diesen Monat genau drei Jahre zurückliegt. Aufregend und schön war’s! Dabei ist auch der Schnappschuss entstanden, den ich anhänge.

Übrigens bin ich dir dankbar, dass du mich nochmal auf den Feldkircher Lyrikpreis aufmerksam gemacht hast. Nachdem ich das Motto „satt liegt deine hand in der wölbung meines rückens“ zunächst doof fand – zu kitschig, zu sehr Liebeslyrik, kann ich nun, seit ich mich einmal darauf eingelassen habe, doch was damit anfangen. Ich finde es spannend, zwischen Gefühlserzeugung und Kitschvermeidung auszutarieren. Sowieso finde ich, dass die junge zeitgenössische Lyrik oft zu distanziert, kühl und unpersönlich ist - zu sehr auf ihren intellektuellen Reiz setzt. Zumindest gibt es eine Tendenz zu leisen Tönen und selten großes Drama, und ich nehme mich da gar nicht aus.

Bin schon gespannt auf die Messe. Sehen uns dann Freitag in Leipzig,
deine Eva



Donnerstag, 20. Dezember 2012

Liebe Sibylla,

lustig, dass du in deinem letzten Brief deine Irritation über die Allgegenwart von Jack Wolfskin-Bekleidung geäußert hast. Mir sind der Wandel oder zweifelhafte Aufstieg der Marke auch schon ohne den räumliche Abstand aufgefallen, was mich z. B. letzte Ostern an der Ostsee, wo es auch einen ganzen Store an der Strandpromenade gab, zu einem privaten Mini-Vortrag zum Thema verleitet hat. Mitte der 80er Jahre hat mein Vater einen großen schwarzen Wanderrucksack mit pinkem Rückenteil und der Tatze gekauft, den ich dann als Jugendliche übernommen und erst vor ein-zwei Jahren in recht zerfetztem Zustand aufgegeben habe – für meinen Rücken war er eigentlich immer zu breit, aber ich mochte ihn sehr. Vor ein paar Jahren ist Jack Wolfskin dann, besonders dominant (es gibt ja noch ein paar andere Marken mit ähnlichen Entwicklungen), von der Spezialausstattung zur Alltagsmarke geworden – inklusive Fußball-Bandenwerbung, eigener Stores usw. Die Label-Kennzeichnung an den einzelnen Teilen ist dabei ebenfalls ausufernder geworden, die Tatze immer an mehren Stellen – gedruckt und in Leder aufgenäht – zu finden. Seitdem sind auch deutsche Innenstädte ein einziges wildes Outdoor-Gelände. Eine dezente Tatze hier und da war mir lieber. Habe sie sowieso lange für einen Bär und nicht, obwohl natürlich naheliegend, einen Wolf gehalten, was ich auch sympathischer fand. Von einsamen Wölfen kann jedenfalls keine Rede sein.

So, Zeit für einen kurzen Jahresrückblick. Beruf: Es war auf jeden Fall sehr angenehm, das ganze Jahr dank des Stipendiums abgesichert zu sein und der gleichen Tätigkeit nachgehen zu können. Schade, dass es nächstes Jahr schon wieder vorbei ist. Familie: Als Herausforderung nicht zu unterschätzen. Zahl der besuchten Hochzeiten bleibt konstant bei leicht rückgängiger Tendenz (noch keine Einladung für nächstes Jahr). Endlich zwei neue Babys im näheren Freundes- und Familienkreis. Schreiben: Die Freude über die ersten Anthologie-Veröffentlichungen macht süchtig nach mehr. 

Ich wünsche euch schöne und friedvolle Feiertage und einen guten Rutsch!

Liebe Grüße
Eva

Freitag, 19. Oktober 2012

Liebe Sibylla,

jetzt dürftest du schon in Leipzig sein. Das Wetter meint es ja schonmal richtig gut, und möchte dir den Übergang erleichtern. Ich hoffe, die Stadt bietet dir auch ansonsten einen warmen Empfang. Ich jedenfalls freue mich sehr, dass wir für die nächsten Besuche nur 200 statt 2000 Kilometer zurücklegen müssen. Gerade sitze ich auf der Dachterrasse, die Sonne scheint mir waagerecht ins Gesicht, über die Mauern lugen Antennen, Schornsteine, mehrere Kirchturmspitzen und ein Baumwipfel.

Letzte Woche hat sich die bessere Hälfte des Herbsts, in der die Blätter noch bunt an den Bäumen hängen, zwar schon von einer viel kälteren Seite gezeigt, aber ich hatte Besuch von meiner Schwester und ihren Töchtern und wir waren viel draußen. Vor allem, um Spielplatz-Hopping zu betreiben. Zwischendurch, den Maybachufermarkt mit seinem Getümmel im Rücken, habe ich das Foto gemacht, das ich dir einfach mal mitschicke. Die Idylle trügt allerdings etwas, denn die parkenden Autos, die ich gerade so aus dem Bild raushalten konnte, standen halbradtief in faulig-schwarzen Pfützen, die mit den vor sich hin modernden Blättern eklig aussahen und auch so rochen.  

Und dann gab es ja auch noch den literarischen Herbst mit der Frankfurter Buchmesse. Ich war noch nie da, aber freue mich immer über die Berichte. Lass uns mal zusammen zur Leipziger Messe gehen! Obwohl ich in meinem Stolz immer dachte, ich gehe erst hin, wenn ich dort eine Aufgabe als geladener Gast oder Fachbesucherin habe. Wie auch immer, auf jeden Fall hat mich dieses Jahr das Spezial der Konkret mit dem Titel „German Psycho. Depression und Gesellschaft“ besonders interessiert. Es gibt acht verschiedene Beiträge zum Thema, unter anderem ein gutes Interview mit der Psychotherapeutin und Buchautorin Andrea Jolander, in dem sie mit gängigen Vorurteilen gegen Psychotherapie, wie dass alle Psychologen/innen selbst verrückt seien oder auch privat ihre Gegenüber permanent analysierten, aufräumt. 

Die Ausführungen aus deinem letzten Brief über das verschiedene Styling, das das gegenseitige Verständnis erschwert, fand ich übrigens einleuchtend. Ich denke in Berlin verhält es sich in Bezug auf Leute mit türkischem oder arabischem Background in Kontrast zu den typischen Öko-hip-, Gammel- oder immer seltener werdenden Punk-Kreuzbergern ähnlich. Allerdings leben alle zusammen hier und in Mostar sind die „Westler“ ja überwiegend Touristen/innen und in der absoluten Minderheit, und überhaupt ist die Diversität insgesamt viel geringer, was die Gegensätze sicher verschärft. 

So, muss mal machen, gehe nämlich gleich nach Längerem mal wieder ins Theater. (Und die Sonne ist auch schon längst weg.)

Bis bald,
Eva


Samstag, 21. Juli 2012

Liebe Sibylla,

gerade habe ich nochmal deinen letzten Brief gelesen und mit Bedauern gedacht, dass sich deine Sehnsucht nach Meer noch nicht erfüllt hat. Die Sommerpause, die wir mit den Gastbeiträgen eingelegt haben, ist auch nicht dem vielen Urlaub sondern fehlendem Internet geschuldet. Davon abgesehen ist der Sommer bei dir in Mostar zu heiß (wie du mir in einer E-Mail geschrieben hast) und hier in Berlin mal wieder zu kalt. Aber naja, man kann nicht alles haben. Dafür hast du jetzt einen rechtmäßigen Ehemann und besitzt eine eigene Wohnung und ich durfte mal wieder meine Berufs-Qualifikationen in einem interessanten  Praktikum erweitern. Das sollte jetzt aber trotzdem das letzte gewesen sein! Außer ich beschließe plötzlich Tiefseetaucherin oder sonstwas zu werden, von dem ich gar keine Ahnung habe. Warum wird eigentlich immer die Tiefseetaucherin bemüht, wenn es darum geht, einen exotischen Beruf anzuführen? Weil es wirklich exotisch ist, man nicht unbedingt dafür studieren muss und vor allem, weil es so schön klingt.

Im allerersten Brief an dich hatte ich die Geschichte erzählt, wie ich das Autorinnen- und Autoren-Handbuch von Uschtrin bei der Post abgeholt habe und am Nachbarschalter dasselbe Päckchen entgegen genommen wurde. Jetzt gehts weiter. Ich hatte das Buch vor über einem Jahr an einen ehemaligen Arbeitskollegen verliehen. Wir hatten abgemacht, dass er es mir persönlich zurückgibt, zumal einer seiner  Bekannten mein Nachbar ist. Als einige Zeit vergangen war, wusste ich, dass es nicht mehr dazu kommen würde. Vor ein paar Wochen wurde ich langsam ärgerlich und dachte, ok, ich sollte wohl eine Erinnerungsmail schreiben, hatte es aber noch nicht gemacht. Am Donnerstag musste ich zur Post, weil  ich eine Abholkarte im Briefkasten hatte, was ich nervig fand. Die Poststelle, die für uns zuständig ist, ist nämlich nicht die nächste in der Bergmannstraße sondern die im Posthochhaus zwischen Hallesches Tor und Möckernbrücke (ca. fünf Busstationen). Das finde ich echt weit, um seine Pakete abzuholen. Ich habe mal nachgefragt, wie das eigentlich kommt. Es wird nach Postleitzahlen und nicht nach Entfernung sortiert. Aha. Ich arbeite ja oft zuhause und komme mir an manchen Tagen so vor, als sei ich die Poststelle fürs ganze Haus. Das ist eigentlich nett, weil ich dann einen kurzen Kontakt zu den wiederum netten Nachbarinnen und Nachbarn habe, der von Dankbarkeit geprägt ist. Aber umso ärgerlicher, wenn ich für meine Post so weit fahren muss. Gut, es war schönes Wetter (was im Moment heißt, es hat nicht geregnet), ich habe meinen Arbeitsrückweg unterbrochen und einen kleinen Spaziergang eingelegt. Schlange gab es auch keine. Da ich keine Post erwartete, war ich gespannt, was es abzuholen gibt. Absender: ein Postfach und ein Kürzel. Hm, direkt beim Rausgehen geöffnet. Erst noch die Hoffnung gehabt, es würde sich um das Belegexemplar einer der ausstehenden Veröffentlichungen handeln. Aber nein, ich hatte einfach mein silbernes Handbuch zurück, zusammen mit einer knappen Karte „Verzeih die Verspätung“.

Liebe Grüße und lass uns mal ein bisschen Wetter austauschen,

Eva

Sonntag, 15. April 2012

Liebe Sibylla,

neulich musste ich nochmal an deinen vorletzten Brief denken, in dem du kurz über Norbert Hummelts Essay aus der Edit geschrieben hast. Dass er argumentiert, Lyrik schreiben sei besser für die geistige Gesundheit, Prosa schreiben führe hingegen eher zu Depressionen. Das hätte ich gerne mal genauer nachgelesen. Auf jeden Fall bin ich neulich beim Recherchieren auf eine wissenschaftliche Studie zu dem Thema gestoßen, die einen umgekehrten Zusammenhang behauptet. Es ging um Kreativitätsforschung und darum, dass Frauen, die Lyrik schreiben, eher an psychischen Krankheiten leiden. Oder andersrum: Frauen, die an psychischen Krankheiten leiden, schreiben eher Lyrik. Dieses Ergebnis hat sogar einen Namen bekommen. Es handelt sich um den „Sylvia-Plath-Effekt“! Die Fragstellung an sich finde ich allerdings schon seltsam. Sie funktioniert höchstens metaphorisch, um die Unterschiedlichkeit der Schreibprozesse zu illustrieren. Aber aus einer ernsthaften Betrachtung müsste man absurde Empfehlungen ableiten wie „bei Ihrem Geschlecht und Ihrer Vorbelastung rate ich eher zu Prosa“.

Im Moment finde ich Zuhause als Arbeitsort übrigens gut. Allerdings habe ich es mit der Gemütlichkeit wohl etwas übertrieben. Hatte meinen Arbeitsschwerpunkt auf die Couch-Ecke, Beine hoch, verlagert und leide jetzt unter starken Rückenschmerzen im Lendenwirbel-Bereich, so dass ich wieder zurück an den Tisch gezogen bin, zumindest unter der Woche. Ansonsten könnte ich gut mehr Arbeitszeit inklusive der nötigen Konzentrationsfähigkeit gebrauchen. Außer neuen Gedichten – apropos  es wurden jetzt zwei ältere Texte, „Nebel für Berlin“ und „Stille“, die auch hier im Blog stehen, für diese Junge Autor/innen aus NRW-Anthologie vom [SIC]-Verlag ausgewählt – würde ich auch gerne einen wissenschaftlichen Artikel über Siri Hustvedt schreiben. Ich hatte schon mehrmals angesetzt, die Ergebnisse aus der Magister-Arbeit umzuformulieren und es dann verworfen, mal aus inhaltlichen, mal aus Zeitgründen. Immer wenn gerade Ruhe eingekehrt ist, werde ich wieder darauf gestoßen. Es wird jetzt mehr über sie veröffentlicht und sie ist sogar als Gast bei der nächsten Jahrestagung der deutschen Amerikanist/innen mit Lesung und Vortrag vertreten. Da juckt es mich schon sehr…

Ganz viele Grüße,

deine Eva

Dienstag, 3. Januar 2012

Liebe Sibylla,

ich habe meine Eindrücke von Mostar im November noch ein bisschen nachwirken lassen und durch zweierlei Lektüre ergänzt: Eures Bands „Invent | tura. Zeitgenössische Kunst und Literatur aus Bosnien und Herzegowina“ (Hg. Sibylla Hausmann und Karin Rolle 2011) und Juli Zehs „Die Stille ist ein Geräusch“ von 2003. Als Juli Zeh 2001 durch Bosnien und Herzegowina gereist ist, um das Reisebericht-Buch zu schreiben, war der Krieg erst seit fünf Jahren vorbei, die internationalen Friedenstruppen noch im Land und Tourismus nicht üblich. Vor dem Hintergrund der beschriebenen Zerstörung ist mir die enorme Aufbauleistung das erste Mal aufgegangen. Bislang fand ich eher eindrucksvoll, dass es noch so viele Ruinen gibt, die man weder wieder herrichtet noch abreißt. Auch wenn sich seit 2001 schon viel getan hat, wird sowohl oberflächlich als auch in eurem Band deutlich, wie lange der Krieg zerstörend nachwirkt– wie Verlust und Teilung Alltag, Erinnerung und Kulturproduktion prägen.

Ansonsten fand ich es gut, von Juli Zeh Selbstbesuchtes noch mal beschrieben zu bekommen und festzustellen, dass es auch Konstanten gibt. Zum Beispiel das spezielle Grün der Neretva, das man direkt aus eurem Fenster sehen kann, und für das Zeh über das ganze Buch die richtige Bezeichnung sucht, um schließlich in Chirurgengrün die größte Annäherung zu finden. Auch die Steine der Bogumilen (eine mittelalterliche Abspaltung des Christentums), bei denen wir in der Nähe von Stolac bei unserem Ausflug angehalten haben, kommen vor. Und sie dienen übrigens doch als Grabsteine… Ich hänge mal ein Foto an. Und voraus stelle ich ein kleines Reise-Gedicht, das ich noch in Mostar angefangen hatte. Ach, und lustig fand ich auch, dass Juli Zeh während ich ihr Buch gelesen habe Gast bei „Hart aber Fair“ war (ich wusste vorher gar nicht, wie sie aussieht). Sie war als Gegnerin des Gesundheitszwangs da und gerade schwanger.

Viele Grüße

deine Eva

P.S. Wie du wahrscheinlich weißt, gab es in Berlin immer noch keinen Schnee und die Weihnachtsdeko muss langsam weg.



Freitag, 9. September 2011

Liebe Sibylla,

die Sache mit den Todesanzeigen ist faszinierend. Sie sind mir, als ich dich letztes Jahr besucht habe, auch besonders aufgefallen. Ich finde es eigentlich sehr angemessen, die ganze Stadt für eine Weile damit zu tapezieren. Nur in der Zeitung, vielleicht in nur einer, einen Tag, das geht ja total unter. Nach so einem ganzen Leben darf die Verabschiedung schon etwas länger dauern. Der unterschiedliche Umgang mit Tod wird auch in der US-amerikanischen Fernseh-Serie „Six Feet Under“ thematisiert, mit der ich gerade angefangen habe. Ist der Serien-Hype eigentlich auch in Bosnien angekommen? Hier werden sie jetzt wie Filme diskutiert. Diese aufwendig produzierten, anspruchsvollen Serien sind zu einem eigenen Genre geworden.

Auf die Bücher, die du mir in Aussicht gestellt hast, bin ich schon gespannt. Du brauchst sie aber nicht extra zu schicken. Ich komme ja noch dieses Jahr, um deinen Sohn kennen zu lernen, yuhuu!

So noch ein paar Lektüre-Eindrücke: „Adler und Engel“ von Juli Zeh fand ich gut, aber auch ein bisschen zu überspitzt, bemüht. Der Haupteindruck war das sehr Körperliche. Interessant finde ich, wie Zeh ihr Rechtswissen eingebaut hat. Houellebecq, „Karte und Gebiet“ gewohnt düster, hart und desillusionierend, aber so konsequent, intelligent und lustig, dass man sich gern darin suhlt. Besondere Pointe: er selbst und Frédéric Beigbeder sind Figuren. Jonathan Franzens „Freedom“ ist richtig gut – super Figuren, sehr unterhaltsam und lebendig, beeindruckende Gesellschaftsanalyse. Man hätte es bestimmt auch kürzer erzählen können, aber die Details machen so viel Spaß, dass man sie nicht missen möchte, im Gegenteil, man will die Figuren eigentlich nicht gehen lassen. Gerade lese ich „Great House“ von Nicole Krauss, das auch gut ist, aber nach Franzen etwas abfällt. Es ist mir noch zu dramatisch verdichtet. Außerdem gab es am Anfang eine Irritation mit dem Buch an sich, die sich langsam legt. Es roch schlecht. Neu von Amazon. Das habe ich echt noch nie erlebt und es ist total störend. Es ist kein starker Geruch, aber unangenehm. Bevor ich ihn geortet habe, dachte ich kurz, es läge eine tote Maus unterm Bett.

Hm, jetzt habe ich mit Tod angefangen und aufgehört und das obwohl du doch gerade so frisch mit seinem Gegenteil verbunden bist…

Viele Grüße nach Mostar

deine Eva

Montag, 30. Mai 2011

Liebe Sibylla,

nachdem du dich im letzten Brief mit den gesellschaftlichen Bedingungen des literarischen Schaffens im Zusammenhang mit der Forderung nach mehr politischem Engagement aus dem Bella triste-Artikel beschäftigt hast, möchte ich was zu Genre-Fragen schreiben. Es verdichten sich nämlich Erlebnisse, die mit einer Rechtfertigung von Lyrik zu tun haben.

Dass Lyrik gesellschaftlich und im Buchhandel kaum präsent ist, ist ja sowieso offensichtlich. Obwohl man es auch manchmal vergessen könnte, wenn man sich etwas in der Szene bewegt, die ja wiederum sehr lebendig ist und viele gute Organe hat. Aber sie ist doch sehr abgeschottet und auch elitär. Die meisten Menschen haben weder strukturellen noch emotionalen Zugang zu lyrischen Texten. Man hat verlernt, etwas damit anzufangen. Daraus ergibt sich automatisch, dass man zur Botschafterin für Lyrik wird, sobald man sich ihr in irgendeiner Form widmet. So hat mich die Zweitbetreuerin meiner Dissertation darauf aufmerksam gemacht, dass ich spätestens bei der Verteidigung gefragt würde, warum ich mich überhaupt mit Lyrik beschäftige, das sei doch nicht zeitgemäß.

Diese Erfahrungen hast du bestimmt schon viel früher gemacht, weil du ja zum Beispiel schon deine Magisterarbeit über Lyrik geschrieben hast. Aber mir gefällt der Gedanke, alleine durch die Themenwahl zur Erhaltung dieses traditionsreichen und spannenden Genres beizutragen, das ganz andere sprachliche Möglichkeiten bietet als Prosa.

Liebe Grüße aus dem heute hochsommerlichen Berlin,

deine Eva

Samstag, 26. März 2011

Liebe Sibylla,

ich freue mich dieses Jahr wieder sehr, dass der Frühling angefangen hat. In unserem Hof werden Sträucher gepflanzt, die natürlich noch etwas spärlich aussehen, aber kommende Wirkung andeuten. Es ist eine gute Zeit für Umbrüche. Im Büro sind meine letzten fünf Wochen angebrochen und einerseits kann ich mir gar nicht vorstellen, nicht mehr dort zu sein, andererseits freue ich mich auf die neue Aufgabe, die unter anderem mit mehr Freiheit verbunden ist. So habe ich die Hoffnung auf mehr Mußestunden. Zu dem Thema habe ich neulich auch ein kleines Gedicht geschrieben, das ich dir schon geschickt habe, aber hier nochmal einfügen möchte:

Halt, hiergeblieben

eine Verantwortung hat
süßen Speck mit Grübchen
und überströmende Augen
die ankommen wollen

emsig begangene Wege
nun breiter werdend
führen eventuell zum
ersten Auto und und und
die Muße dreht sich
winkend nochmal um

Über das Auto als Symbol für Unabhängigkeit und ein geregeltes Einkommen musste ich länger nachdenken. Auf eine Art finde ich das Bild nicht ganz zutreffend - davon abgesehen, dass es unoriginell und unlyrisch ist, weil ein Auto eigentlich Luxus ist und es erstmal schon als Erfolg gelten sollte, überhaupt finanziell unabhängig zu sein. Andererseits macht ein Auto als Anreiz mehr Spaß als das pure Überleben, auch wenn es der Beginn einer materiellen Spirale ist. Allgemein verliert das Auto als Statussymbol an Bedeutung, wie ich in der Agentur immer wieder höre. Ich selbst hätte trotzdem lieber ein  Auto als zum Beispiel ein Smartphone (hm, hinkt etwas, weil es nicht die gleiche Preiskategorie ist). Meine Kollegin spricht übrigens immer vom Bionade-Biedermeier, was ich für die heutigen 30- und 40-jähringen sehr passend finde.

Dir auch eine gute Mischung aus Muße und Mühe wünschend, grüßt

deine Eva

P.S. Danke für die Ermutigungen aus deinem letzten Brief!

Montag, 21. Februar 2011

Liebe Sibylla,

danke für die zwei Versionen deines Gedichts. Mir gefällt, wie sich Tiefe und Leichtigkeit abwechseln und schwere Gedanken dynamisch daher kommen. Besonders gut gefällt mir der konkrete Einstieg mit dem Haar und dem Halbmond-Fingernagel. Das mit dem Ei ist lustig, aber vielleicht doch etwas gewollt. Du spekulierst ja auch, wie du wohl darauf kamst... Ich finde die Übersetzung gelungen, es geht nichts verloren und die letzte Zeile klingt sogar runder. Zur Titel-Übersetzung bin ich mir nicht sicher – „going“ ist besser als „travelling“, das ist zu einschränkend – vielleicht wären „On the road“ oder "Moving" auch eine Möglichkeit.

Unser letzter Gastbeitrag, das Gedicht von Christophe Fricker, gefällt mir sehr. Ich mag die Mischung aus konkreter Szenerie, kleiner Geschichte und originellen Beschreibungen. Ort und Gefühl sind gut nachvollziehbar. Ich hätte auch Lust, nochmal in einem Diner in Amerika zu sitzen. Auch wenn Abenteuerlust und Freiheit fremd und allein schnell in Trostlosigkeit umschlagen können, auch ohne Regen.

Bei meinen eigenen Texten habe ich gerade eine ziemlich selbstkritische, frustrierte Phase. Ich denke, es fehlt an einem durchgängigen Stil und vieles bleibt oberflächlich und willkürlich. Gebe mich von den eigenen Wörtern zu schnell beeindruckt. Man liest ja auch die eigenen Hintergedanken immer mit. Kann mich oft nicht entscheiden, ob etwas gut einfach, im Sinne von konkret, oder zu einfach, einfach einfallslos ist. In der Hinsicht fehlt mir der kritische Austausch, den wir im Schreibkurs hatten. 

Viele Grüße aus dem eisigen aber sonnigen Berlin,

deine Eva

Sonntag, 9. Januar 2011

Liebe Sibylla,

ich schreibe dir heute nur kurz. Genau wie du, bin ich völlig von dem Kolmar-Aufsatz absorbiert. Wieviel Arbeit das ist… Dazu bin ich noch angeschlagen. Ne, aber ich habe schon noch mal gemerkt, wie schwierig und aufwendig wissenschaftliches Schreiben ist. Wenn man was geschafft hat, ist man natürlich auch froh. In diesem Fall haben die Formatvorlagen noch zusätzlichen Aufwand gekostet. Und die Literaturbeschaffung ist nicht zu unterschätzen. Wie viele Stunden alleine dafür drauf gehen. Und dann fährt man für zwei Bücher zwei Stunden durch die Stadt in zwei verschiedene Bibliotheken. War zu diesem Anlass gestern das erste Mal im Grimm-Zentrum. Es ist schon beeindruckend und auch gut organisiert, aber im ersten Moment völlig verwirrend. Bin zwei Treppen in den Keller gelaufen, um dort festzustellen, dass man sich ein eigenes Vorhängeschloss für die Schließfächer mitbringen muss. Im Foyer sind neue Schränke, die man mit der Mensa-Card abschließen kann. Die hatte ich immerhin, am Fach dann rausgefunden, sie muss erst aktiviert werden, zurück zum Automat. Dann habe keinen Aufzug gefunden, in den 5. gelaufen, am Ausgang musste ich mich erstmal mit dem Ausleihautomat vertraut machen usw. Zusätzlich bin ich bei jedem Bibliotheksbesuch erschüttert, wie viele Leute dort hinströmen, auch vor Ort arbeiten. Und gestern war Samstag.

Wenn ich lese, lese ich gerade eine Biographie über die mexikanische Fotografin Tina Modotti. Finde sie nur mittelmäßig interessant und gut geschrieben, aber was mir gefallt sind die Orte: San Francisco, L.A. und Mexiko Stadt. Habe sie geschenkt bekommen, hatte sie schon eine Weile liegen und kam dann mit einer Kollegin, die über indigene Völker in Mexiko geforscht hat, auf sie zu sprechen. Die Geschichte mit dem Buch davor geht genauso, Gespräch mit Kollegem, Erinnerung, dass das geschenkte Buch noch ungelesen zuhause liegt, geweckte Neugier. Nur das Ergebnis war besser, war sehr positiv überrascht von Daniel Kehlmanns „Vermessung der Welt“. Es ist wirklich gut geschrieben, interessant und lustig.

So genug für heute. Bald sehen wir uns ja auch!

Viele Grüße,

deine Eva

Mittwoch, 8. Dezember 2010

Liebe Sibylla,

bei mir gehts mit dem Neid auf Leute wie Helene Hegemann. Natürlich ist dieses Erfolgreiche-Künstler- und Intellektuellenumfeld hilfreich, aber ich stelle es mir auch anstrengend vor. Und jetzt hat sie noch so viele Jahre vor sich, die sie hohem Erwartungsdruck standhalten muss. Außerdem habe ich Respekt davor, dass sie so jung schon so konzentriert und fleißig arbeitet. Wenn, dann beneide ich diese Zielstrebigkeit und diesen Eifer. Neid und Leid tun ganz nah.


Als wir mit dem Blog angefangen haben, waren wir ja noch überrascht, dass es nicht so viele Literaturblogs gibt oder sie so schwer zu finden sind. Ich denke immer noch, dass es sich um eine überschaubare Menge handelt und vor allem, dass diese miteinander recht gut vernetzt sind. Aber es scheint ein offenes Netzwerk zu sein. Offener als der Literaturbetrieb draußen. Über manche Neuentdeckungen während der letzten Tage, wie Fixpoetry und Forum der 13, freue ich mich. Hilfreich ist auch die Autorinnenvereingung mit ihrem Amelia Blog, die jetzt auch den Goldstaub-Wettbewerb veranstaltet. Unsere Liste ist natürlich noch am Anfang, aber ich finde gut, wenn sie langsam mit unserem Blog wächst.


Der ganze Brief schlägt eine ganz schön streberhafte Richtung ein, aber was ich noch erzählen wollte – meine Arbeit als Texterin ist auch fürs Schreiben hilfreich. Man lernt, nicht zu schnell zufrieden zu sein, Sachen immer wieder zu überarbeiten und tragfähige Ideen zu entwickeln. Auch Sachen wegzuwerfen und was für große Unterschiede, zum Beispiel bei dreiteiligen Namen, jedes Wort macht. Nicht zuletzt wird der Einfallsreichtum angekurbelt. Durch den Anfahrtsweg habe ich auch wieder Zeit zum Lesen, in der U-Bahn. Achja, aber natürlich hat die Arbeit nicht nur Vorteile und anderes leidet.



Viele Grüße aus dem vorweihnachtlichen Berlin,

deine Eva


P.S. Das ist in Mostar bestimmt komisch, eine Seite ganz geschmückt und die andere gar nicht oder habe ich da falsche Vorstellungen? Du würdest ja auf die geschmückte gucken...

Freitag, 29. Oktober 2010

Liebe Sibylla,

so wie du den Begriff jetzt beschrieben hast, kann ich ihn viel besser nachvollziehen. In dieser Form ist Versehrtheit auch eine Frage der Ästhetik – Schönheit mit Brüchen ist spannender, das Schöne im Hässlichen. In diesem Zusammenhang möchte ich auch "Axolotl Roadkill" von Helene Hegemann empfehlen (habe ich heute fertig gelesen). Der Roman geht allerdings über Brüche hinaus, er beschreibt eine kaputte 16-Jährige und ist ziemlich hart, so zugespitzt, dass es auch witzig ist. In Form und Inhalt radikal enthält er Gesellschaftskritik ohne zu moralisch zu sein. Man merkt, dass sie stark von Theaterleuten wie Pollesch und Schlingensief beeinflusst ist. Also ich hatte zunehmend mehr Spaß und fand ihn am Ende richtig intelligent und punkig.

Ich finde es super, dass du bei dem Literaturfestival in Priština gelesen hast, und dass es gut war. Hast du mit den anderen eigentlich auch mal über ihre Existenzbedingungen als AutorInnen geredet? Wir haben ja beide kurzfristig einen beruflichen Rahmen, Ruhe. Aber dieses ganze Warten, Bewerben und sich Fragen ist noch sehr nah und kommt wahrscheinlich auch mal zurück. Allerdings hoffe ich, dass wir das Schlimmste geschafft haben. Habe diese Woche ein Interview mit Christiane Rösinger gelesen, und sie sagt zu Recht, dass es eigentlich gar keine Bohemians mehr gibt, sondern nur noch Prekariat. Wenn ich an meine berufliche Einstellung mit Anfang zwanzig zurück denke, hat sich da viel geändert. Früher war mein Hauptziel immer, ja nicht zuviel zu arbeiten und schon gar nicht etwas, das langweilig bzw. normal ist. Jetzt werde ich sehr froh sein, überhaupt mit einer Arbeit Geld zu verdienen, für die mich irgendwie mein Studium qualifiziert. Und Geld wird entgegen meiner Erwartungen doch immer wichtiger… Als Studentin mit leicht überdurchschnittlichem Unterhalt kann man noch behaupten, Geld sei einem nicht so wichtig. Keine Angst, ich bin jetzt nicht völlig verdorben und Veröffentlichungen werden mir mehr Befriedigung als Geld verschaffen, aber das Leben in diesem System ist nur ok, wenn man mitkonsumieren kann. Von diesem Luxusspaß abgesehen, will man ja wenigstens seine Miete und sein Essen selber zahlen können. Ich bin wohl noch davon beeinflusst, dass ich gestern nach sehr langer Zeit persönlich was beim Jobcenter klären musste. Es ist jedes Mal deprimierend und macht sehr wütend. Und es gibt danach immer viel zu erzählen, schon komisch, dass das so aufwühlt. Das Rollbergkino, vor dessen Schild ich lange in der Schlange stand, bietet Di-So Ermäßigungen für Schüler, Studenten und ALG II-Bezieher. Da fehlen nur noch Rentner und man kann lebenslänglich vergünstigt ins Kino…

Viele Grüße,

deine Eva

Freitag, 24. September 2010

Liebe Sibylla,

ich nehme jetzt erstmal das Versehrtheitsthema wieder auf. Ich gebe dir Recht, dass es für Literatur generell eine Rolle spielt und vor allem die poetische Qualität von Mostar gut trifft. Das spannende an der heutigen Situation finde ich, dass seit der Katastrophe schon wieder einige Zeit vergangen ist. Dieser Zustand zwischen Heilung und Sichtbarkeit der Narben. Versehrtheit ist per se natürlich ein großer Begriff, der auf viele literarische Situationen zutreffen könnte – von Krankheit bis Krieg. Das sind beides menschliche Extremsituationen und dankbarer Stoff für Literatur. Neulich habe ich in irgendeinem Interview gelesen, große Romane könne nur schreiben, wer etwas Extremes erlebt habe. Dem möchte ich nicht zustimmen, Phantasie sollte da einiges wettmachen können. Aber menschliches Leid genau wie Glück findet sich in Geschichten und Gedichten natürlich zugespitzt wieder. Es ist ja auch interessanter und leichter zu beschreiben als das normale Grau. Irgendwas stört mich aber auch an dem Versehrtheits-Begriff. Ich glaube, er ist mir persönlich etwas zu negativ – aber wer möchte schon versehrt sein? - und das Schreiben darüber hat so einen leicht therapeutischen Beigeschmack - aber Therapie ist natürlich auch nötig. Es ist einfach deprimierend, über Krieg nachzudenken und durch immer noch sichtbare Wunden daran erinnert zu werden. Kannst du aus der Versehrtheit an sich für dich persönlich eine poetische Inspiration ziehen?

Über Versehrtheit bin ich noch mal auf die Begriffe Verletzlichkeit, Suggestibilität und Zeitgeist gekommen. In meiner Magisterarbeit habe ich entdeckt, dass Hysterie in dem Roman "Was ich Liebte" von Siri Hustvedt als Metapher für diese drei menschlichen Konditionen verwendet wird. Diese Begriffe sind allgemeiner als Versehrtheit und weniger gewaltsam, sie beschreiben eher, welchen Einflüssen und Abhängigkeiten man täglich ausgesetzt ist, aber eben auch, welche große Rolle die Zeit und die Umgebung, in der man lebt, spielen.

Ich denke gerade oft sehr konkret über meinen unmittelbaren Wohnort nach, weil wir eventuell umziehen. Zum Glück nur innerhalb von Berlin. Von Anfang bis Mitte zwanzig hatte ich ständig Angst, am falschen Ort zu wohnen und dadurch irgendwelche Chancen zu verpassen. Jetzt haben wir endlich eine schöne, praktische, bezahlbare Wohnung im richtigen Viertel gefunden, aber dunkel. Gerade an diesen wenigen Spätsommertagen (heute ist wahrscheinlich der letzte warme Tag für dieses Jahr) nehme ich ganz bewusst Abschied vom Licht, das von draußen rein scheint, denn das wird nächsten Frühling, wenn alles klappt, nicht wiederkommen.

Ach, ich habe übrigens diese Woche das Patti Smith-Buch zu Ende gelesen. In Mostar war ich ja auch schon eine Weile dran. Es hat also lange gedauert und war auch manchmal etwas zäh. Aber ich habe es sehr gerne gelesen. Gerne würde ich mehr von ihren Gedichten lesen. Am Ende musste ich sogar ein bisschen weinen, als Robert an AIDS gestorben ist. Einen Satz mochte ich insgesamt besonders. Er steht, nachdem Smith beschreibt, wie sie  und ihre frisch gefundenen Mitmusiker das erste Mal zum Zuhören im CBGB landen: „Though no one knew it, the stars were aligning, the angels were calling.“ Es ist schon bemerkenswert, wie unbedingt Patti Smith und Robert Mapplethorpe als Künstler berühmt werden wollten. Nur hatte Patti nicht damit gerechnet, dass es bei ihr als Sängerin sein würde. Bei den beiden waren Umfeld und Zeit natürlich auch entscheidend. Um werden zu können, was sie wurden, mussten sie schon nach NYC gehen.

Liebe Grüße nach Mostar,

deine Eva

Freitag, 3. September 2010

Liebe Sibylla,

jetzt kommt mir die Reise schon wieder so weit weg vor. Zum einen ist es ja auch drei Wochen her und zum anderen war ich schon wieder an einigen anderen Orten; Gießen, Timmdorf/ Malente und im Krankenhaus Lindenhof. Vom Sommer ist auch nicht mehr viel übrig. Aber was mir noch frisch auffällt, ist die Rauheit Berlins, der Dreck, der vielfach harte Ton und die ganzen Verrückten. Als ich das erste Mal wieder einkaufen war, habe ich mich richtig über die vielen fertigen Leute erschrocken, die vor sich hin oder einander anbrüllen.

Ich finde, Mostar hat was mit Berlin gemeinsam, indem es so vielfältig ist. Schön und hässlich gleichzeitig. Die ganzen Ruinen in Mostar beherbergen viel Müll und erinnern an den Krieg und die immer noch bestehende Teilung, aber diese wilden Elemente in der Stadtarchitektur gefallen mir auch, wenn Bäume aus Dächern wachsen und es nebeneinander enge alte Gassen, verspielte Prachtbauten, Zeichen des Sozialismus und moderner Großstadtarchitektur gibt. Ganz anders als in Berlin ist natürlich das bergige und die zentralere Rolle des wilderen Flusses, ganz abgesehen von der üppigeren Flora. Was daraus poetisch erwächst bzw. erwachsen könnte, möchte ich an dieser Stelle vertagen. Aber ich hänge dafür ein paar Fotos von Mostar an.

Vorhin habe ich mir das Programm vom kommenden Literaturfestival angeguckt. Ist Tanja Stupar-Trifunović nicht die Autorin, die du ganz gut kennst und die auch bei deiner Veranstaltung war? Ansonsten ist noch Faruk Šehić aus Bosnien Herzegowina da und Nicol Ljubic, ein Deutscher mit bosnischem Hintergrund.

Liebste Grüße,
deine Eva














Samstag, 24. Juli 2010

Liebe Sibylla,

durch deinen Brief habe ich noch mehr Lust auf den Besuch bei dir und unsere kleine Reise bekommen, zumal es hier jetzt nach der langen Hitze plötzlich wieder 13 ° kälter ist. Es ist immer so krass, wie schnell das gehen kann, so lange man permanent schwitzt, kann man sich gar nicht vorstellen, dass es je wieder aufhört und dann, zack, weiß man nicht, ob es diesen Sommer überhaupt noch mal heiß wird. Aber bei dir gibt es ja Hitzegarantie. Heute in zwei Wochen bin ich schon da. Und ich werde das Meer und die Berge sehen!

Hast du das Buch („Wie ich mich einmal in alles verliebte“ von Stefan Merrill Block), das du mir geschenkt hast, eigentlich auch gelesen? Es hat mir ganz gut gefallen, eine gute Geschichte, gut aufgebaut, skurril und mit interessantem medizinischem Background. Gut hat mir auch das Aufeinanderprallen der Welten zwischen der alten Farm und den Retorten-Häusern gefallen, wenn Abel mit seinem alten Pferd zum Einkaufscenter reitet. Den Titel der deutschen Übersetzung finde ich allerdings völlig irreführend, da es sich wirklich um „The Story of Forgetting“ und nur untergeordnet um eine Liebesgeschichte handelt. Die Figuren bleiben etwas blass, man wird gut unterhalten aber wenig bewegt.
Hast du eigentlich die Edit weiter abonniert? Ich habe mir ein Abo zum Geburtstag gewünscht und bekomme jetzt Bella und Edit. In der letzten Edit sind Gedichte, die ich cool finde. Von Ben Lerner, einem amerikanischen Lyrik-Dozent und -Redakteur, Jahrgang 1977, übersetzt von Steffen Popp (komischer Name!). Sie sind irgendwie grundlegend anders als die deutschen Sachen, die man so liest. Sehr dynamisch, schnell, radikal und lustig. Es gibt gleichzeitig viele Aufzählungen und viele kurze komplette Sätze. Die Grammatik ist klar und mit vielen Satzzeichen. Sprachelemente werden mit persönlichen Handlungen kombiniert, zuviel Theorie veralbert, wobei ihre Beherrschung auch deutlich wird und es gibt einige Appelle wie: „Ich wünschte, alle schwierigen Gedichte wären tief. / Hupen Sie, wenn Sie wünschten, alle schwierigen Gedichte wären tief.“

So trotz Wind und leichtem Regen gehe ich gleich zu einer Dach-Terrassen-Grill-Party und muss jetzt noch den Salat zu den vegetarischen Würstchen vorbereiten.

Bis bald,
deine Eva

Donnerstag, 10. Juni 2010

Liebe Sibylla,

ich freue mich, dir heute den ersten Brief zu schreiben und bin auch ein bisschen aufgeregt. Ich habe dafür in den letzten Wochen schon in meinem Kopf gesammelt. Also gut, dass es jetzt losgeht!
Wie du siehst, habe ich die Linkliste um ein paar Blogs ergänzt. Es sind allerdings nur sehr wenige, was daran liegt, dass ich insgesamt nicht viele gefunden habe und davon konnte ich höchstens mit einem Drittel was anfangen. Ich frage mich, ob das an den Suchmaschinen liegt, oder ob es wirklich so wenig gute gibt. Bei uns habe ich auch keine Möglichkeit gefunden, Tags wie Lyrik, Literatur und Blog einzugeben.
Neulich ist es auf der Post zu einer lustigen Begebenheit gekommen. Ich habe ein Päckchen abgeholt, wegen dem ich schon mal spontan, ohne Abholkarte da war, und das dann nicht gefunden wurde. Dieses Mal hat es auch gedauert und war am Ende doch an seinem Platz. Was jetzt genau das Problem war, keine Ahnung. Auf jeden Fall, als das Päckchen dann vor mir lag, guckte ich nach links. Dort, derselbe glänzende rote Aufkleber, hm, dachte ich, ist das Standard? Das Päckchen hatte aber auch dieselbe Größe, dieselben zwei Briefmarken mit pinken Blumen. Das veranlasste mich laut, häh, zu sagen und mich rüberzubeugen, um einen Blick auf den Absender zu werfen. Ich sagte zu der etwa gleichalten symphatischen Frau, wir haben ja genau dasselbe Päckchen. Sie und die Postbeamtin lachten und meinten, das hätten sie auch gerade gemerkt. Es war das neue AutorInnen-Handbuch von Uschtrin. Sie sagte dann noch, dass sie es das erste Mal bestellte habe, ich, ich auch.
So jetzt ist der Brief schon so lang, dass ich die anderen Sachen aufhebe, falls mir mal nichts Aktuelles einfällt.
Ich hoffe, bei eurem Invent/Tura-Projekt läuft alles glatt und ich höre bald von dir.

Viele Grüße aus dem (endlich) schwülen Berlin,

deine Eva