Samstag, 15. Januar 2011

Jerichokaleidoskop

Nicht die Spur Verdunkelung, Kreuzschnäbel, zwitschernd
von Spannung, diesseits Giraffen in langsamen Bauen
hungrig auf Sand und die Fundamente für morgen
gerüstet zu sehen, das war der Dreh: alles durchschaubar

und unverständlich. Die Nächte sprachen Pidgin
mit dem Rudel, zu sagen, das Gelichter jagte
einem unter die Lider weiße kreisende Stunden,
klänge nach etwas, das uns nicht erreichte.

Schon Personal der Träume unserer Hälfte
dieses steinern dämmernden Hirns, spielten wir
Insulaner, die das Festland wunderte, das Fließen
von Verkehr, Verschollene. Wiederholungen

Holungen. Was von drüben aus: eine Gefahr,
die uns vor einer anderen retten sollte, und durch welche
Gläser, übertrieb man wie wir mit unseren Scherben?
Die schwärzten wir der halben Sache zum Trotz, die Sonne

verschwand nicht ganz, sie hinterließ uns
fast das Fliederdickicht. Woran ich mich erinnere,
ist unser Warten, zusammengedrängt auf dem Weg.

von Sylvia Geist

erschienen in: Vor dem Wetter. Gedichte. Luftschacht Verlag, Wien 2009.


Sylvia Geist, *1963 in Berlin, lebt in Hannover und Vancouver. Zuletzt erschienen die Novelle „Der Pfau“ (2008) und der Gedichtband „Vor dem Wetter“ (2009), im März 2011 kommt ein Erzählungsband unter dem Titel „Letzte Freunde" heraus (alle im Luftschacht Verlag, Wien). Mehr unter www.sylvia-geist.de.

Sonntag, 9. Januar 2011

Liebe Sibylla,

ich schreibe dir heute nur kurz. Genau wie du, bin ich völlig von dem Kolmar-Aufsatz absorbiert. Wieviel Arbeit das ist… Dazu bin ich noch angeschlagen. Ne, aber ich habe schon noch mal gemerkt, wie schwierig und aufwendig wissenschaftliches Schreiben ist. Wenn man was geschafft hat, ist man natürlich auch froh. In diesem Fall haben die Formatvorlagen noch zusätzlichen Aufwand gekostet. Und die Literaturbeschaffung ist nicht zu unterschätzen. Wie viele Stunden alleine dafür drauf gehen. Und dann fährt man für zwei Bücher zwei Stunden durch die Stadt in zwei verschiedene Bibliotheken. War zu diesem Anlass gestern das erste Mal im Grimm-Zentrum. Es ist schon beeindruckend und auch gut organisiert, aber im ersten Moment völlig verwirrend. Bin zwei Treppen in den Keller gelaufen, um dort festzustellen, dass man sich ein eigenes Vorhängeschloss für die Schließfächer mitbringen muss. Im Foyer sind neue Schränke, die man mit der Mensa-Card abschließen kann. Die hatte ich immerhin, am Fach dann rausgefunden, sie muss erst aktiviert werden, zurück zum Automat. Dann habe keinen Aufzug gefunden, in den 5. gelaufen, am Ausgang musste ich mich erstmal mit dem Ausleihautomat vertraut machen usw. Zusätzlich bin ich bei jedem Bibliotheksbesuch erschüttert, wie viele Leute dort hinströmen, auch vor Ort arbeiten. Und gestern war Samstag.

Wenn ich lese, lese ich gerade eine Biographie über die mexikanische Fotografin Tina Modotti. Finde sie nur mittelmäßig interessant und gut geschrieben, aber was mir gefallt sind die Orte: San Francisco, L.A. und Mexiko Stadt. Habe sie geschenkt bekommen, hatte sie schon eine Weile liegen und kam dann mit einer Kollegin, die über indigene Völker in Mexiko geforscht hat, auf sie zu sprechen. Die Geschichte mit dem Buch davor geht genauso, Gespräch mit Kollegem, Erinnerung, dass das geschenkte Buch noch ungelesen zuhause liegt, geweckte Neugier. Nur das Ergebnis war besser, war sehr positiv überrascht von Daniel Kehlmanns „Vermessung der Welt“. Es ist wirklich gut geschrieben, interessant und lustig.

So genug für heute. Bald sehen wir uns ja auch!

Viele Grüße,

deine Eva