Mittwoch, 2. März 2011

Liebe Eva,

heute Nacht hat es in den Bergen wieder geschneit. Zwar sind in Mostar keine Minusgrade, aber es ist doch eisig, weil ein Wind durchs Tal fegt, den man hier "Babe=Omas" Wind nennt, angeblich nach einer Oma, die beim Schafehüten eingefroren ist. Meine Hoffnung auf einen baldigen Frühling bleibt trotzdem bestehen. Anders als in Berlin, wo ich oft - vielleicht beeinflusst von Szenen aus "Berlin Alexanderplatz" oder so - dachte, dass der Winter besser zur Stadt passt und ihren besonderen Charakter unterstreicht, hält Mostar regelrecht den Atem an, wenn es kalt ist. Die Leute wollen auf der Straße sein, gut aussehen, lange aufbleiben, sich über die Hitze beschweren, ans Meer fahren, Winter wird am besten ignoriert. Im Sommer wird die ungemütliche Kälte dann komplett vergessen und es heißt: Ach, wir haben hier ja nur einen ganz kurzen Winter, ne besondere Heizung oder Isolierung braucht man in Mostar doch nicht...

Ich finde auch, dass regelmäßige Treffen und Austausch mit anderen extrem gut fürs Schreiben sind. Auch weil es motiviert, Neues auszuprobieren, Texte zu überarbeiten, viel zu produzieren. Ich kenne diese Phasen, in denen der Wert der eigenen Texte als sehr gering erscheint, empfinde sie als sehr belastend. Es hemmt dann auch beim Weiterschreiben und allein das ist ätzend, da es einfach fehlt und ein so wichtiger, freudvoller Teil des Alltags zu verblassen scheint. Was deine Texte angeht, mag ich gerade die einfache, ungekünstelte Sprache sehr an ihnen und meistens führt das nicht zu Banalität, sondern zu Klarheit. Aber dass du darüber grübelst und zweifelst ist sicher nicht schlecht: Gerade weil es etwas Wesentliches an deinen Texten ist, ist es wichtig, dass du darüber reflektierst und den Grenzraum "Einfachheit - Konkretheit - Verständlichkeit - Banalität" immer wieder ausmisst. Ich habe ja stattdessen meine regelmäßigen Auseinandersetzungen mit der Kompliziertheit und Unverständlichkeit, die sich meiner Worte immer wieder bemächtigt.

Bei Christophe Fricker lese ich teils eine ähnliche Konkretheit wie bei deinen Gedichten, deshalb habe ich mir schon gedacht, dass dir seine Sachen gefallen. Mich freut besonders, dass das Gedicht von ihm bei uns erstveröffentlicht ist. Unser exklusives Blog...

Viele Grüße und sende bald mal per Mail neue Texte,

Sibylla