In gesprenkelte Helligkeit
brachen sie aus. Kirchenlicht
fürs Jenseits geschminkt.
Eine Gnadenbildmadonna
eine Madonna mit dem Kinde
eine einstmals mit dem Kinde
eine sterbende Madonna
fielen aus dem Steingemäuer
jener Art Verlies, gewöhnlich
von Stiefmüttern bewohnt
und ausgedienten Hexen.
Die Heizkörper lehnten
an den Kirchenbänken
die Klempner verschwanden
in die Brotzeit. Ich blieb allein
das Schiff schwankte im Schweigen.
Da regte sich ein blasses
steinzerkratztes Wesen
da rollte zag aus dem Versteck
die Letzte ihrer Reihe:
Vesperbildmadonna,
den toten Jesu steif im Arm
plumpste hölzern mir zu Füßen –
vor meine Füße, Frau Äbtissin!
Spät lag ich wach an diesem Tag
sah meine Zehen an,
zehn kleine Wunder.
Gedicht von Nora Bossong
aus der Anthologie "Poesie und Stille", Wallstein Verlag, 2009.
Nora Bossong, *1982 in Bremen, lebt heute in Berlin. Sie studierte Kulturwissenschaft, Philosopie und Literatur an vielen Orten, u.a. in Rom und in Leipzig, am Deutschen Literaturinstitut. Nora Bossong schreibt Lyrik und Prosa, sie hat in beiden Genres bereits mehrere Einzelveröffentlichungen. Zuletzt erschien 2012 der Roman "Gesellschaft mit beschränkter Haftung" im Hanser Verlag.