In Bodrowskys Essay geht es in erster Linie darum, dass in gegenwärtiger deutschsprachiger Prosa der übermächtige Gegner eines repressiven Herrschaftssystems als dramatisches Element fehle. Bodrowsky ist der Meinung, dass das eben nicht an der freiheitlichen deutschen Gesellschaft liege, sondern daran, dass sich Autoren wie Figuren der Texte im Mittelschichtmilieu bewegen, in dem staatliche Repression und Existenznot wenig zu spüren sind. Da ist etwas dran... und trotzdem, nach fast zwei Jahren Mostar muss ich sagen, Deutschland geht es gut und es kümmert sich doch um alle ein bisschen. Es ist ein Unterschied, ob es um mehr oder weniger geht oder - wie hier - um nichts oder weniger als nichts. Es ist ein Unterschied, ob man sich als Mitglied einer breiten bürgerlichen Mittelschicht Gedanken über die Grenzen seines eigenen geistigen Horizonts macht, oder ob man in einem Land aufgewachsen ist, in dem gar keine einflussreiche Mittelschicht existiert. Von Vorteil für die Literatur ist das jedenfalls nicht.
Diese Überlegungen als Wort zum morgigen Tag der Arbeit. Der ist hier so beliebt, dass man, da er auf einen Sonntag fällt, gleich Montag und Dienstag mit als Feiertage ausgerufen hat. Wenigstens etwas fürs Volk.
Liebe Grüße,
Sibylla