des Morgens hing noch vorm Fenster, da saß
meine Großmutter - Brille, Zeitung - und schmierte
Leberwurststullen mit der Zeit um die Wette.
vollwertiges Müsli lag bequem und hübsch in seinem
Porzellanbecken, drinnen schwammen ein paar Tränen,
glänzten auf der Oberfläche der Milch,
auf weißer, vor Spannung zitternder Haut.
eine Welle aus Schokoflakes durchfuhr die Schale,
schwarze Flächen tauchten auf und versanken.
das Radio lief seit einem Jahrhundert,
rauschte Jahrzehnt für Jahrzehnt durch den Morgen,
eine Küche vollgepresst mit Weltmusik,
und draußen vermehrten sich die Busse,
vollgepresst mit Kindern tausender Eltern,
deren Kombis ein paar Kilometer südlich
in einen Baum rasten, jetzt, in einer scharfen
Biegung, und die Nachricht kam erst am Abend.
Gedicht von Marius Hulpe
Marius Hulpe, *1982 in Soest, hat Kulturwissenschaften und Kreatives Schreiben in Berlin, Zürich und Hildesheim studiert. Er lebt zur Zeit als Autor, Lektor und Dozent in Krakau. In vielen seiner Gedichte setzt er sich auf intensive und originelle Weise mit Orten auseinander, unter anderem mit Schauplätzen seiner westfälischen Heimat, wie in der Lyrikanthologie "Westfalen, sonst nichts?" (parasitenpresse, Dezember 2012). Marius Hulpe erhielt 2008 für seinen ersten Gedichtband "wiederbelebung der lämmer" den Literaturförderpreis des Landes Nordrhein-Westfalen und das LCB-Stipendium des Berliner Senats. Im März 2013 gerade frisch erschienen ist "Einmal werden wir", sein zweiter Gedichtband in der Lyrikedition 2000, dem das hier vorgestellte "Küche" entstammt, siehe dazu:
http://www.allitera.de/Hulpe%